Elektronischer Rechnungsaustausch im Wandel: 4-Corner, 5-Corner und 6-Corner Modelle im Vergleich
Die digitale Transformation hat den Bereich des Rechnungswesens grundlegend verändert. Besonders wichtig sind dabei die Entwicklungen rund um den elektronischen Rechnungsaustausch, bekannt als eInvoicing.
Mit der bevorstehenden eRechnungspflicht im B2B-Bereich und dem geplanten elektronischen Meldesystem zur Umsatzsteuer in Deutschland ist es wichtiger denn je, die verschiedenen Modelle und Ansätze, die theoretisch bei der Ausgestaltung des deutschen eRechnungs- und Meldesystems zur Anwendung kommen könnten, zu kennen und zu verstehen:
- 4-Corner-Modell
- 5-Corner-Modell
- 6-Corner-Modell
Von weiten Teilen der deutschen Wirtschaft bisher nicht weiter beachtet, sind diese drei Ansätze in der digitalen Fachwelt seit mehreren Jahren nicht nur hinlänglich bekannt. Sie sind aktuell auch Gegenstand zum Teil hitziger Fachdiskussionen zwischen
- Bundesregierung in Form des Bundesministeriums der Finanzen (BMF),
- verschiedenen Organisationen und Wirtschaftsverbänden, wie etwa der Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. und Bundessteuerberaterkammer, die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände sowie die Deutsche Steuer-Gewerkschaft e. V., Deutscher Gewerkschafsbund, der deutsche Steuerberaterverband e.V sowoe Prof. Dr. Dirk Kiesewetter von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Prof. Dr. Gregor Kirchhof von der Universität Augsburg, Prof. Dr. Christine Osterloh-Konrad von der Konrad Eberhard Karls Universität Tübingen und auch Prof. Dr. Christoph Spengel von der Universität Mannheim sowie der ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.,
- und den technischen Dienstleistern, auch bekannt als eInvoicing-Provider.
Der Stein des Anstoßes: Während die Bundesregierung schnellstmöglich mit der Umstellung auf eRechnungen beginnen – und damit einem digitalen Meldesystem zur Umsatzsteuer immer näher kommen – will, überwiegt bei den Verbänden im Moment noch mehrheitlich so etwas wie eine ausgewachsene Digitalisierungs-Skepsis. Kein Wunder, denn groß ist die Angst vor potenziell teuren IT-Investitionen und bürokratischen Mehraufwänden für die ohnehin bereits durch Pandemie, Inflation und Energiekrise belastete deutsche Wirtschaft.
Zeitgleich warnen erfahrene Provider und eInvoicing-Netzwerke wie TRAFFIQX unermüdlich davor, den aktuellen Entwicklungen lediglich zuzusehen und abzuwarten. Denn ist die eRechnungspflicht wie im Wachstumschancengesetz erst einmal beschlossen, läuft der Countdown. Und das wahrscheinlich ziemlich schnell: Dem aktuell favorisierten Zeitplan folgend fällt ihr Startschuss nämlich bereits am 1. Januar 2025 – also in knapp einem Jahr.
Spätestens dann wird sich jedes Unternehmen, das B2B-Rechnungen empfängt, schnellstmöglich um eine Lösung für die gesetzliche Verpflichtung, „echte“ elektronische Rechnungen empfangen zu können, kümmern müssen – und dass stets mit dem Wissen im Hinterkopf, dass es mit dem reinen Empfang längst nicht getan ist. Auch der digitale Versand in elektronischer Form wird schließlich obligatorisch, wenn auch ein wenig zeitversetzt.
Was das nun mit den verschiedenen Austausch-Systemen für elektronische Rechnungen zu tun hat? Eine ganze Menge!
Denn schließlich stellt die Umstellung auf den rein elektronischen Rechnungsaustausch der deutschen und europäischen Wirtschaft die nötige Schlüsseltechnologie für das eigentlich anvisierte Ziel der EU-Mitgliedsstaaten dar: Das Schließen der überbordenden Umsatzsteuerlücke durch analogen Umsatzsteuerbetrug. Ein milliardenschweres Phänomen, das sich mithilfe von „Continuous Transaction Controls“ (CTC) – also einem digitalen Meldesystem zur Umsatzsteuerkontrolle – auf Basis des elektronischen Rechnungsaustausches endlich beheben ließe.
Der Clou: ist die elektronische Rechnung erstmal verpflichtend eingeführt, lassen sich die benötigten Steuerdaten im Rahmen eines 5- oder 6-Corner-Modells schnell, einfach und ressourcenschonend durch die Finanzverwaltung „abgreifen“ – die Zeche für die technologische Umstellung trägt derweil die Wirtschaft.
Grundlagen des Elektronischen Rechnungsaustauschs
In diesem Beitrag erläutern wir daher die jeweiligen Vor- und Nachteile für KMUs und die notwendigen Anpassungen an die neuen Vorschriften. Dazu betrachten wir die Unterschiede und Gemeinsamkeiten des 4-Corner, 5-Corner und 6-Corner Modells, die für betroffene Unternehmen in Deutschland von Bedeutung sind. Wir erläutern die technischen Aspekte und zeigen auf, wie diese Modelle im Kontext der bevorstehenden eRechnungspflicht und des geplanten elektronischen Meldesystems zur Umsatzsteuer in Deutschland stehen.
4-Corner-Modell
Das 4-Corner-Modell ist das traditionelle Modell für den elektronischen Rechnungsaustausch im Peppol-Netzwerk.
Die vier Ecken bestehen aus dem Rechnungssender, seinem Service Provider, dem Service Provider des Rechnungsempfängers und dem Rechnungsempfänger selbst .
- C1 - Sender der Rechnung
Das Unternehmen, das die Rechnung ausstellt. - C2 - Service Provider des Senders
Ein Dienstleister, der die Rechnung des Senders annimmt und weiterleitet. - C3 - Service Provider des Empfängers
Ein Dienstleister, der die Rechnung empfängt und an den Empfänger weiterleitet. - C4 - Empfänger der Rechnung
Das Unternehmen, das die Rechnung erhält.
Dieses Modell ermöglicht es den Teilnehmern, unterschiedliche Service Provider zu verwenden und unterstützt eine standardisierte, automatisierte Kommunikation durch eine so genannte Business Interoperability Specification (BIS) über das PEPPOL-Netzwerk.
Die größten Vorteile für Unternehmen in diesem Szenario:
- Flexibilität: Unternehmen sind nicht an einen einzelnen Dienstleister gebunden.
- Interoperabilität: Leichter Austausch von Dokumenten zwischen verschiedenen Systemen.
- Effizienz: Automatisierte Rechnungsverarbeitung spart Zeit und Kosten.
5-Corner-Modell (DCTCE)
Das 5-Corner-Modell, auch bekannt als das Decentralized CTC and Exchange Model (DCTCE), erweitert das 4-Corner-Modell um eine weitere Ebene, die sich auf Steuerkontrollen konzentriert:
- C5 – Steuerbehörde
Überwacht und verarbeitet steuerrelevante Informationen direkt.
Dieses Modell ermöglicht es den Finanzbehörden, Steuerdaten effektiver zu kontrollieren und zu verarbeiten. Gleichzeitig bietet es vielen betroffenen KMUs die Möglichkeit, bestehende Investitionen in EDI-Technologie und Interoperabilität zu nutzen.
Es zielt darauf ab, die Bedürfnisse von Regierungen und Unternehmen auszugleichen, indem es eine dezentralisierte Datenvalidierung und den Austausch fördert, während es gleichzeitig (die nach der obligatorischen Einführung der eRechnung für B2B-Transaktionen) bestehenden technischen Infrastrukturen nutzt.
Anerkannte Vorteile dieser Erweiterung des Systems sind:
- Verbesserte Compliance: Direkte Einbindung von Steuerbehörden erleichtert die Einhaltung steuerlicher Vorschriften.
- Datensicherheit: Stärkerer Schutz sensibler Daten durch zentralisierte Überwachung.
6-Corner-Modell
Das 6-Corner-Modell erweitert das 5-Corner-Modell noch einmal um eine zusätzliche Komponente, indem es spezialisierte Dienstleister für Steuerbehörden und die Steuerbehörden selbst in das Modell integriert.
- C5 - Service Provider der Steuerbehörde
Spezialisierte Dienstleister für den Austausch von Steuerdaten. - C6 – Steuerbehörde
Finanzamt als Empfänger und Verarbeiter der Steuerdaten.
Dieses Modell ermöglicht eine noch bessere Kontrolle und Verarbeitung steuerlicher Informationen – und dürfte auch in Deutschland zu den Favoriten der Finanz- und Steuerbehörden zählen.
Vorteile für Unternehmen in diesem „neuen“ Modell:
- Umfassende Steuerkontrolle: Bessere Übersicht und Kontrolle steuerrelevanter Transaktionen.
- Effizienzsteigerung: Automatisierte Prozesse reduzieren den Verwaltungsaufwand für beide Seiten.
Vergleich der Modelle
Auswirkungen eines CTC-Systems auf deutsche Unternehmen
Die Einführung der eRechnungspflicht und eines darauf aufbauenden Continuous Transaction Controls (CTC) Systems in Deutschland stellt für KMUs eine signifikante Veränderung – aber auch die Möglichkeit für einen digitalen Innovationssprung – dar. So müssen Buchhaltungs- und IT-Systeme angepasst und ergänzt werden, um die neuen gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen und für den nächsten Schritt hin zu einem elektronischen Meldesystem zur Umsatzsteuer gewappnet zu sein.
Wie das trotz unklaren Einzelaspekten und einem sich ständig verändernden Zeitplan zur Einführung der neuen Technologie in Deutschland und Europa dennoch einfach, schnell und ressourcenschonend machen lässt?